Page 13 - lwl-klwa-klinikmagazin-19-2016-ef.indd
P. 13
wickeln. Man bringt sich dann anhaltend nicht mehr den eigenen Möglichkeiten entsprechend ein, geht in Deckung und verwendet einen nicht unerheblichen Teil des Arbeitsalltags darauf, mit der vermin- derten Arbeitsleistung nicht aufzufallen.Der Anteil der Betroffenen ist erstaun- lich hoch: Nach der jährlich wiederhol-ten Untersuchung des Gallup-Instituts zur Mitarbeiter-Motivation in deutschen Fir- men wiesen im Jahr 2014 15 % der Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter eine hohe, 70 % eine eher geringe und 15 % gar kei- ne emotionale Bindung an den Betrieb auf. Am Ende verlieren dadurch alle: Der Be- trieb funktioniert nicht optimal, aber auch die Betroffenen finden kein Glück in ihrem Verhalten, da sie unter ihren Möglichkeiten bleiben, an Ansehen verlieren und Gefahr laufen, dass irgendwann ihr Arbeitsplatz gefährdet ist.Die Probleme gehen aber noch wei- ter, da häufig zusätzlich auch die priva- ten Bezüge aus dem Lot geraten. Die Hoff- nung, dass das Leben jenseits der Arbeit das wahre und erfüllende Leben sei, erfüllt sich für viele, die in der inneren Kündigung feststecken, nicht. Am Ende geht nicht sel- ten alles verloren.„Aufschieberitis“ – auch „Prokrasti nation“ genannt – wird ebenfalls als Weg aus subjektiv aktuell nicht zu bewältigen- der Belastung gewählt. Dabei geht das Ausmaß der Störung vom Aufschieben ei- niger weniger erforderlicher Aufgaben über problematisches Aufschieben, wobei nicht nur Pflichten, sondern auch schon angenehme Tätigkeiten aufgeschoben werden, bis hin zu ständigem Aufschieben praktisch aller Verpflichtungen bzw. Termi- ne mit nachfolgenden häufig existentiel- len Problemen, nicht nur am Arbeitsplatz. In den Institutsambulanzen und Tageskli- niken finden sich immer mehr Jugendliche mit diesem Störungsbild ein, die als Folge der – inzwischen schon weit verbreiteten– Prokrastination in der Berufsausbildung oder im Studium völlig aus der Bahn gera- ten sind und bei zunehmender Depressi- vität für sich überhaupt keinen Weg mehr sehen, wie sie wieder im Alltag funktionie- ren und sich neu ausrichten könnten.Im therapeutischen Setting wird in der Regel die Focussierung der Betroffenen auf den Arbeitsplatz zunächst aufgenommen. Beruhigung ist hier auch ein wichtiges Mo- ment. Es wird versucht, im Einzelgespräch – das sowohl durch Ärzte als auch durch Pflegefachkräfte und den Sozialdienst mit jeweils spezieller Kompetenz geführt wird– eine ausreichende Sicht auf die real vor- liegenden Belastungen und die Struk-tur der Auseinandersetzungen zu gewin- nen. In weiteren Gesprächen wird dann das Umfeld – hier dann auch zunehmend der private Bereich – hinsichtlich möglicher zusätzlicher Belastungsfaktoren analy- siert. In weiterführenden Einzelgesprächen und dann auch Gruppensitzungen können schrittweise Lösungsoptionen erarbeitet werden, wobei begleitend Therapieverfah- ren wie Entspannung, Kunst- und Ergothe- rapie zur Stabilisierung und Eröffnung neu- er Horizonte beitragen.Hinsichtlich der „Burnout“-Problema- tik kommt einer aktiven Gestaltung der Zu- kunft eine besondere Bedeutung zu. So sind die Ursachen von persönlich emp- fundenem Stress vielfältig. Jeder sollte sei- ne Ursachen herausfiltern, die Wichtig- keit und Beeinflussbarkeit dieser Stresso- ren beurteilen, einen Entwurf zur Ände- rung seines Verhaltens machen und dann auch wirklich an einem – ruhig auch klei- nen – Punkt starten und nicht veränder- bare Stressoren an der Seite liegen lassen. Verbitterung hilft gar nicht weiter.In der Bearbeitung der „Inneren Kün- digung“ gibt es häufig erhebliche Wider- stände, den eingeschlagenen Weg der emotionalen Distanzierung zur Arbeit auf- zugeben. Die vorsichtige Konfrontation mit den negativen Folgen, die oft nicht ge- sehen werden, und die Rückorientierung auf das eigene Leistungsvermögen bilden einen wichtigen Baustein in der Bewälti- gung der subjektiv manchmal als ausweg- los bewerteten Situation.Die „Aufschieberitis“ wird häufig sehr verdeckt gelebt, kann aber zu plötzlichen massiven psychischen Krisen führen. Hier ist eine genaue Analyse des Grades der be- reits eingetretenen Probleme erforderlich.Der Übergang in schwere depressive Zu- standsbilder kann für die Außenstehenden völlig überraschend kommen, da bei äu- ßerlich funktionierendem Bild manchmal alles gleichzeitig – beruflich wie privat – zu- sammenbrechen kann. Schrittweise kann in Einzelgesprächen und Gruppentherapi- en das nicht förderliche Verhalten in den verschiedenen Lebensbezügen beleuch- tet und ein realistischer Plan zur Änderung entworfen werden.Wie man sieht: Die Arbeit in den Insti- tutsambulanzen und Tageskliniken spiegelt auch eng die Veränderungen in der Ar- beitswelt wider und sieht sich immer neu- en Herausforderungen gegenüber. Einfa- che Lösungen gibt es für die vielgestalti- gen Probleme nicht. In der multiprofessio- nellen Zusammenarbeit liegt gerade auch hier der Schlüssel für einen möglichen The- rapieerfolg.Dr. Martin Gunga, ChefarztPetra Spiekermann,Leiterin des Pflegedienstes der Abteilung Integrative Psychiatrie und PsychotherapieKlinikmagazin Nr. 19 201613Dr. med. Petra MaschFachärztin für Psychiatrie/ PsychotherapieKämperstr. 42 · 59457 Werl Tel. 02922 878650SprechstundenMo 10.00 -13.00 Uhr Di 15.15 -19.00 Uhr Mi 11.00 -14.00 Uhr Do 10.00 -13.00 Uhr und nach VereinbarungFoto: © Nastya Tepikina / fotolia.com