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ABTEILUNG INTEGRATIVE PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIEVeränderungen der Arbeitswelt lt. „Stressreport“n „Tertiarisierung“Arbeiten verlagern sich nach den Zeiten von Ackerbau und dann folgender Industrie immer mehr in den dritten, den Dienstleistungs- bereich mit den zunehmenden Anforderungen an kognitive und interaktive Leistungen.n „Informatisierung“Durch die neuen Kommunikati- onstechnologien wird ortsunab- hängige, flexible Arbeit möglich, aber auch abverlangt. Arbeit wird somit örtlich wie zeitlich immer mehr entgrenzt.n „Subjektivierung“Der Einzelne ist zunehmend per- sönlich für den Ablauf und den Erfolg der Arbeitsprozesse verant- wortlich.n „Akzeleration“Produktions-, Dienstleistungs- und Kommunikationsprozesse beschleunigen sich ständig und erfordern ständiges Lernen, um nicht abgehängt zu werden.n „Neue Arbeitsformen“ Tätigkeits- und Berufswechsel, ständige Veränderungsprozesse sowie diskontinuierliche Beschäf- tigungsverhältnisse führen zu wachsender Instabilität in den sozialen Beziehungen.„Das schaffe ich auch noch!“Belastung und Erschöpfungim Bermudadreieck zwischen Burnout, innerer Kündigung und Aufschieberitisund psychischen Erkrankungen gibt. Was der eine gut bewältigt, kann bei einem an- deren zu heftigen Folgen führen. Offen- sichtlich spielen die Rahmenbedingungen der Arbeit und die persönlichen Voraus- setzungen aufgrund der eigenen Lebens- geschichte sowie die aktuelle Lebenssitu- ation eine wichtige Rolle. Im Stressreport wurden die wesentlichen Veränderungen der Arbeitswelt aufgelistet, die sich in den Berichten der Patientinnen und Patienten, aber auch im Erleben der Therapeuten und Therapeutinnen, geradezu deckungsgleich wiederfinden:Am Ende der ungünstigen Entwick- lung besteht häufig eine schwere depressi- ve Symptomatik mit Selbstabwertung und Verzweiflung bis hin zu ernsthaften suizi- dalen Gedanken:„Burnout“ – „Ausgebrannt“ findet sich häufig in den von Betroffenen selbst gestellten Diagnosen im therapeutischen Aufnahmegespräch. Im Blick auf die Belas- tungen am Arbeitsplatz verbindet sich da- bei „Nichts geht mehr!“ oft mit dem Hin-Im psychiatrischen Behandlungsalltag der Institutsambulanzen und Tageskliniken findet sich der gesamte Querschnitt von schwer und chronisch verlaufenden Er- krankungen aus dem Bereich der Allge- meinpsychiatrie, der Suchtmedizin und der Gerontopsychiatrie. Besonders depressive Störungen zeigen dabei einen geradezu ra- santen Anstieg. Vielfach findet sich hier- bei aus Sicht der Betroffenen eine direkte Verbindung zu den Belastungen in der sich schnell verändernden Arbeitswelt. Anhal- tender Ärger mit Vorgesetzten und/oder Kollegen, überbordende Arbeitsaufgaben, mangelnde Wertschätzung und Angst vor sozialem Abstieg im Falle eines Arbeits- platzverlustes summieren sich auf und können in schwere Erschöpfungszustände verbunden mit tiefen Sinnkrisen führen.Der Arbeitsplatz wird offensichtlich für immer mehr Menschen zu einer Problem- zone. Dabei wird häufig übersehen, dass eine einfache Ursachenzuschreibung für seelische Belastungen selten zutrifft. Viel- fach spielen Probleme aus dem privaten Bereich wie Spannungen in der Partner- schaft/Familie, Verletzungen oder finanzi- elle Sorgen eine ebenso wichtige Rolle und verbinden sich mit den Auseinanderset- zungen am Arbeitsplatz. Umgekehrt strah- len natürlich auch Probleme der Arbeits- stelle in das Privatleben aus, sie können sich dort geradezu aggressiv entladen oder zu völliger Lethargie führen.Im „Stressreport 2012“ der Bundesan- stalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wurde festgestellt, dass es keine 1:1-Ver- knüpfung zwischen psychischer BelastungKlinikmagazin Nr. 19 201611Foto: © Trueffelpix / fotolia.com